2. Wasser als Lebensraum

Die Bewohner

Ein Eisvogel auf einem Ast

Bei genauerem Betrachten lassen sich in Flüssen und Bächen eine Vielzahl unterschiedlichster Lebewesen entdecken, denn ein reich strukturiertes Gewässer bietet auch einer großen Artenvielfalt geeignete Lebensräume. Unter Wasser tummeln sich die seltsamsten Tiere. Unter ihnen gibt es "Häuslebauer" wie die Köcherfliegenlarven oder "Wegelagerer" wie den Wasserskorpion. Zu den Bewohnern gehören beispielsweise auch Wasserkäfer und Wasserflöhe, Krebse, Schnecken, Muscheln, Egel. Viele Insekten, wie die Libellen, Mücken oder Eintagsfliegen, beginnen ihr Dasein als Larven im Wasser. Und erst nach einem langen Jugendstadium - bei einigen Libellen dauert es fünf Jahre! - erobern sie das Land und den Luftraum. Hier leben sie oft nur wenige Tage oder Wochen und sterben bald nach der Paarung und Eiablage. Eigentlich erstaunlich, dass ein und dasselbe Tier in seinem Leben so unterschiedliche Lebensräume wie Wasser und Luft bewohnt.
Die meisten Tiere leben verborgen, am Boden des Gewässers, zwischen oder unter Steinen oder im Untergrund. Hier finden sie Nahrung und werden nicht so schnell von der Strömung weggespült. In der Lippe beispielsweise wurden bisher über 220 verschiedene Tierarten nachgewiesen. Nimmt man die Zuflüsse der Lippe hinzu, sind es sogar über 600. Sie stammen aus 15 verschiedenen Tiergruppen. Der weitaus größte Teil (75 Prozent) sind Insekten, aber auch Fische, Krebse, Schnecken, Egel und Muscheln gehören dazu. In der Emscher und ihren Zuflüssen sind derzeit etwa 360 verschiedene Arten anzutreffen. Diese Zahl wird aber durch den bereits begonnenen Umbau der Gewässer in den nächsten Jahren schrittweise ansteigen.
Direkt im strömenden Wasser halten sich vergleichsweise nur wenige Tierarten auf, vor allem Fische. Jede Fischart hat im Bezug auf ihren Lebensraum sehr unterschiedliche Ansprüche, so zum Beispiel an die Umgebung, in der sie ihre Eier ablegt. Es gibt Fels- beziehungsweise Kieslaicher und Sandlaicher, Fische, die ihre Eier an Wasserpflanzen ablegen (Pflanzenlaicher), und Fische, die ihre Eier frei ins Wasser abgeben (Freiwasserlaicher).
Einige Fische, wie Lachs und Aal, wandern zur Fortpflanzung Hunderte und Tausende von Kilometern zwischen Fluss und Meer. Andere sind standorttreu und dabei so auf die Verhältnisse eines bestimmten Flussabschnittes spezialisiert, dass nach ihnen die verschiedenen Flussregionen benannt wurden. Vom Gebirge bis zur Mündung ins Meer lassen sich entsprechend den sich verändernden Lebensbedingungen die Forellen-, Äschen-, Barben-, Brachsen- und die Kaulbarsch-Flunder-Region (Brackwasserregion) unterscheiden.
Fische reagieren ganz empfindlich auf Veränderungen im und am Gewässer. Besonders wichtig ist für wandernde Fische die sogenannte Durchgängigkeit - ein barrierefreies Durchschwimmen des Flusses. Viele Querbauwerke im Fluss - zum Beispiel Stauanlagen (Wehre) - bilden Hindernisse, die von den meisten Fischen und den Wirbellosen nicht überwunden werden können. Denn nur wenige Fischarten, wie beispielsweise Forelle und Lachs (und keine Art aus den anderen Tiergruppen), können gut springen (bis 80 Zentimeter hoch). Die Verbesserung der Durchgängigkeit der Flüsse ist ein Ziel der Gewässerrenaturierung - die Erfolge sind an der Entwicklung des Fischbestandes zum Beispiel in der Lippe nachzuvollziehen. In ihr leben heute wieder zahlreiche Fischarten. 1998 wurde sogar wieder der erste Lachs seit 150 Jahren in der Lippe entdeckt. Eine Besonderheit ist das Vorkommen der Quappe, einer Fischart, die in Nordrhein-Westfalen zu den vom Aussterben bedrohten Arten zählt.

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Lebensformen

Die Tiere sind in Körperbau und Verhalten an ihren Lebensraum angepasst. Dabei ist die Strömung der prägende und ökologisch wirksame Faktor in einem Fließgewässer. Mit dem vorbeiströmenden Wasser werden ständig frischer Sauerstoff und kleinste organische Bestandteile, die als Nahrung dienen, angeschwemmt, und das ständig frisch heranströmende Wasser ist meist recht kühl. Allerdings bedeutet die Strömung auch eine ständige Gefahr für die Tiere, verdriftet (weggespült) zu werden. Dieser Gefahr begegnen sie durch unterschiedlichste Anpassungen.
Die Kraft, die die Strömung auf die Tiere ausübt, wird außer von der Strömungsgeschwindigkeit von der Form und der Größe der Organismen, ihrer Stromliniengestalt, bestimmt. So wird durch einen abgeflachten Körper die Angriffsfläche verringert und die Umströmung verbessert. Viele Arten, vor allem Insektenlarven, sind wie eine schiefe Ebene abgeplattet. Durch das anströmende Wasser wird ihr Körper an den Untergrund gedrückt. Gleichzeitig ermöglicht ihnen ihre Körperform, sich in Spalten und unter Steinen aufzuhalten. Einige Tiere, wie zum Beispiel der Egel, halten sich mit Saugnäpfen am Untergrund fest. Zu diesen Anheftern gehört auch die strömungsgünstig geformte Mützenschnecke, die sich mit ihrem Fuß am Untergrund festsaugt.
Die Klammerer besitzen sehr kräftig ausgebildete Beinkrallen, zum Beispiel die Larven der Steinfliegen. Damit halten sich die Tiere an kleinsten Unebenheiten fest. Schließlich gibt es noch die Beschwerer. Sie verwenden "schwere" Baumaterialien. Köcherfliegenlarven bauen sich zum Beispiel aus Sandkörnchen oder Steinen ein Gehäuse, das ihnen nicht nur Schutz vor Feinden, sondern auch vor der Strömung bietet.

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